Wednesday, September 30, 2020

Die makabre Meise


Ich suchte heute etwas, fand es auch, aber nahm auch eine Mappe mit Bildern in die Hände, die wahrscheinlich über meinen Großvater oder meinen Vater zu mir gelangt ist. Es handelt sich um eine Mappe mit Bildern von Ludwig Knaus aus der Serie E.A. Seemanns Künstlermappen (Nr. 12). Ludwig Knaus lebte von 1829 bis 1910 [1]; sein Werk interessiert hier aber nicht, denn in der Mappe waren auch andere Drucke.

Und da sah ich einen alten Druck eines chinesischen Bildes. Darauf ist eine Meise im Pflaumengeäst zu sehen. Das Bild gefiel mir sofort, denn ich sehe die Meisen so in meinem Pflaumenbaum keine 10 m von dem Platz entfernt, an dem ich dies hier schreibe. Und da waren auch noch andere Blätter. Ich blätterte um. Ach, auf der Rückseite steht ja etwas, mit der Hand geschrieben.
Und dann las ich dies:

„Berlin den 9. 5. 38
Da ich voraussichtlich am 13. Mai 1938
meinem Leben ein Ende mache,
übereigne ich hiermit mein Skelett
an Herrn xxx
Bln-Steglitz Feuerbachstr. 8
zur freien Verfügung
und hoffe daß ich ihm damit
eine Freude bereiten werde
Moritz
xxx xxx xxx
Bln Dahlem in Vogelsang 1“

Das ist in meinen Augen einigermaßen makaber. Ich forschte weiter nach, denn in der Feuerbachstraße 8 (Berlin-Steglitz) haben meine Großeltern väterlicherseits gewohnt. An die Familie xxx konnte ich mich auch noch erinnern, weil ich, als der STERN die Hitlertagebücher …, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Im Berliner Adreßbuch von 1938 fand ich Herrn xxx in der Feuerbachstr. 8 [2]. Ich suchte dann im Vogelsang 1 in Berlin-Dahlem, aber das war vergeblich. Dort wohnte niemand, nicht in der gesamten Straße. Der Vorname ist deutlich geschreiben, aber nicht so der Nachname. So kann ich auch nicht nachprüfen, ob Moritz Ernst gemacht hat.

Makaber bleibt es. Sein Skelett einer Person zur freien Verfügung zu stellen in der Hoffnung, eine Freude zu bereiten. Vielleicht rahme ich das Bild und hänge es auf. Man sieht dann ja nicht den makabren Text.

PS. Das ist ja fast schon eine Stürenburg-Geschichte.




Links und Literatur:

[1]https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Knaus
[2] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1938/1/

 

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