Friday, September 11, 2020

TherapieDecken

 



Ich hatte über die TherapieDecken bei Twitter erfahren. Der Hersteller/Vertreiber schreibt: „Die handgefertigten Therapiedecken sind hochwertig verarbeitete Decken, die bei Stress, Angst- und Schlafstörungen, sowie bei Entwicklungsstörungen, wie ADHD, Down-Syndrom, Asperger- Syndrom oder Autismus helfen können.“ [1] TherapieDecken ist eine geschützte Marke, d.h. es geht nicht um Kleinigkeiten. Der Begriff TherapieDecken beinhaltet Therapie und der Hersteller gibt als Anwedungsgebiete z.B. Stress, Angst- und Schlafstörungen, sowie bei Entwicklungsstörungen, wie ADHD, Down-Syndrom, Asperger- Syndrom und Autismus am. Müsste hier nicht die Medizinprodukte Verordnung greifen? Vielleicht tut sie das ja. Aber ich bekam das Gefühl, etwas stimme nicht mit den Therapiedecken.

Die Decken sind bis zu 12 kg schwer und sollen die Ausschüttung von Serotonin und Melatonin fördern und gleichzeitig den Cortisolspiegel senken. Sie haben sich sicher über das Bild gewundert. Hier kommt die Geschichte dazu. Bei einem Andenurlaub in der Nähe von der Laguna Verde in 4300 m Höhe schlief ich in einem Raum ohne Tür. Es war unter 0° C, denn im Raum war eine Pfütze mit Eis. Da schlief ich unter schweren Decken. Ich empfand es als unangenehm, aber schließlich wollte ich auch nicht erfrieren. Ich schlafe lieber unter einer leichten Decke. Andere Menschen allerdings empfinden genau entgegengesetzt und schlafen lieber unter einer schweren Decke. Deshalb bin auch nicht von einem Einfluss der Decken auf Serotonin, Melatonin und Cortisol überzeugt. Studien dazu listet PubMed nicht auf.

Schauen wir uns einmal die Studien an, die der Hersteller anführt.
1. Die Studie von Cati Vaucelle, Leonardo Bonanni und Hiroshi Ishi [2] ist keine medizinische bzw. überhaupt keine Studie, sondern man hat auf der 27th International Conference on Human Factors in Computing Systems, CHI 2009, in Boston im April 2009 Hilfsmittel, u.a. Gewichtsdecken, vorgestellt.

2. Die Studie von von Champagne, T.; Mullen, B.; Dickson, D.; und Krishnamurty, S. ist über den Firmenlink nicht zu erreichen. Auch nicht über PubMed, denn sie ist dort nicht gelistet. Aber ich habe sie einsehen können [3]. Es handelt sich eine Pilotstudie im Bereich Ergotherapie. Man testete u.a. den Hautwiderstand, STAT-10 [validierter Fragebogen zu wahrgenommener Angst] und einen Angst-Score [1-10]. Beim Hautwiderstand gab es keine Unterschiede, also keinen Effekt. Auch bei STAT-10 gab es keinen signikanten Unterschied. Beim Angst-Score gab es in Gruppe 1 (N=15) einen signifikanten Effekt, bei Gruppe 2 (N=15) allerdings nicht. Also mich überzeugt das nicht.
3. Die Studie von Jacobson [4] ist keine Studie, sondern ein Efahrungsbericht, und der beginnt so: „
It was summer. My life was in an unexpected place after a tragedy claimed the life of my 31/2 year old son; ...“ und es endet: „What are you waiting for? Click here to take the quiz or type: ...“, münet also in Werbung und dann in Kauffaufforderung. Die Decken gint es also auch in den USA.
4. Die nächste Studie ist eine Auftragsstudie eines schwedischen Deckenherstellers [5] (N=30). Die Autoren fanden signifikante Unterschiede, bemerkten aber auch: „There are limitations to the current study design, which include a lack of a control group, the long duration of the study, some missing data, and the inability to provide a placebo weighted blanket.“ Die mittlere Schlafdauer hatte sich durchschnittlich von 27 auf 29 min. signifikant geändert. Einverstanden, dass mich das nicht überzeugt?
5. Aber eine Studie haben wir ja noch [6]. Ups, doch nicht, denn was der Forbes Personal Shopper meint, ist natürlich keine Studie.

Ist Ihnen etwas aufgefallen? Werbung und schlechte Studien, alles auf Englisch. Hier wird Wissenschaft bemüht, die einer Überprüfung nicht standhält.


Aber ich habe dann noch weitergesucht und stelle jetzt noch einige relevante Studien dar.
Kathryn Eron und Kollegen haben eine Meta-Analyse vorgelegt [7]. Evidenzbasierte Forschung zur Wirksamkeit gewichteter Decken bei der Verringerung von Angstzuständen und Schlaflosigkeit ist spärlich. Sie kommen hu dem Ergebnis, dass Gewichtsdecken ein geeignetes therapeutisches Instrument zur Verringerung von Angstzuständen sein können. Es gibt jedoch nicht genügend Anhaltspunkte dafür, dass sie bei Schlaflosigkeit hilfreich sind.
Die kontrollierte randomisierte Studie von Paul Gringas und Kollegen zum Effekt von Gewichtsdecken auf den Schlaf autitischer Kinder [8] kommt zu dem Ergebnis: „Die Verwendung einer Gewichtsecke half autistischen Kindern nicht, länger zu schlafen, deutlich schneller einzuschlafen oder seltener aufzuwachen. Die gewichtete Decke wurde jedoch von Kindern und Eltern bevorzugt, und die Decken wurden in diesem Zeitraum gut vertragen.
Der „Report of the Guideline Development, Dissemination, and Implementation Subcommittee of the American Academy of Neurology“ [9] kommt zu folgendem Ergebnis: „Ärzte sollten darauf hinweisen, dass es derzeit keine Belege für die routinemäßige Verwendung von Gewichtsdecken oder spezieller Matratzentechnologie zur Verbesserung von Schlafstörungen gibt. Wenn Ärzte nach Gewichtsdecken gefragt werden, sollten sie darauf hinweisen, dass in Studien keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse bei Verwendung dieser Decken gemeldet wurden und dass Decken für einige Personen ein vernünftiger nichtpharmakologischer Ansatz sein könnten.“


Der Hersteller gibt zur Frage, ob sich Krankenkassen an den Kosten beteiligen, an: „In der Regel nein, jedoch empfehlen wir es zu versuchen. Wir haben von wenigen Einzelfällen gehört, bei denen die Krankenkasse einen kleinen Teil der Kosten übernommen hat.“ Das legt nah, dass die Decken nicht preiswert sind.
Das sind sie auch nicht. Ich sehe (11.09.2020) auf der Webseite von TherapieDecken Preise von €199-€299 für Decken für Erwachsene.
Die erste Daunendecke, die ich im Internet sehe, soll reduziert €166,99 kosten bei einer UVP von €299. Also das liegt im gleichen Preissegment.
Eine Steppdecke, wieder die erste, die ich im Internet sehe, soll reduziert €34,99 kosten bei einer UVP von €69,99. Aber das ist kein wirklich ernsthafter Vergleich.
Für Abzocke ist mir das insgesamt zu wenig. Und trotzdem bleibt das Gefühl, etwas stimme nicht mit den Therapiedecken. Wahrscheinlich wegen der bescheidenen wissenschaftlichen Grundlage.

Ich habe es leicht, denn ich schlafe lieber unter einer leichten Decke. Wenn man sich unter einer Gewichtsdecke besser fühlt und bereit ist, in diesen Komfort zu investieren, warum denn nicht. Erkrankungen würde ich nicht damit behandeln wollen.


Links und Literaturangaben:

[3] Tina Champagne, Brian Mullen, Debra Dickson & Sundar Krishnamurty (2015) Evaluating the Safety and Effectiveness of the Weighted Blanket With Adults During an Inpatient Mental Health Hospitalization, Occupational Therapy in Mental Health, 31:3, 211-233, DOI: 10.1080/0164212X.2015.1066220
[4] http://www.lorasweightedblankets.com/wp-content/uploads/2016/03/HowToKnowIfWBReallyWorkprintfriendly.pdf
[5]
Ackerley R, Badre G, Olausson H (2015) Positive Effects of a Weighted Blanket on Insomnia. J Sleep Med Disord 2(3): 1022. https://www.jscimedcentral.com/SleepMedicine/sleepmedicine-2-1022.pdf
[6] Everything You Need To Know Before Buying A Weighted Blanket. Apr 10, 2020,11:17am EDT. Forbes Personal Shopper. https://www.forbes.com/sites/forbes-personal-shopper/2020/04/10/everything-you-need-to-know-before-buying-a-weighted-blanket/#294032895ed1
[7] Eron K, Kohnert L, Watters A, Logan C, Weisner-Rose M, Mehler PS. Weighted Blanket Use: A Systematic Review. Am J Occup Ther. 2020;74(2):7402205010p1-7402205010p14. doi:10.5014/ajot.2020.037358
[8] Gringras P, Green D, Wright B, et al. Weighted blankets and sleep in autistic children--a randomized controlled trial. Pediatrics. 2014;134(2):298-306. doi:10.1542/peds.2013-4285
[9] Williams Buckley A, Hirtz D, Oskoui M, et al. Practice guideline: Treatment for insomnia and disrupted sleep behavior in children and adolescents with autism spectrum disorder: Report of the Guideline Development, Dissemination, and Implementation Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology. 2020;94(9):392-404. doi:10.1212/WNL.0000000000009033


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