Sunday, July 27, 2025

Was ist los mit der Osmanischen Herberge in Sötenich (Eifel)?

 


Wenn ich zum Einkaufen nach Kall fahre, komme ich unweigerlich durch Sötenich durch und da ist die Osmanische Herberge. Nun herrschte besonders zum Wochenende dort reger Verkehr. Nicht so in den letzten Wochen, so daß ich mich gewundert habe: was ist los mit der Osmanischen Herberge in Sötenich?

Ich erinnere mich noch an meine ersten Kontakte, als „dä Scheich“ sehr farbenfroh mit Turban auf dem Mofa durch die Gegend fuhr, um den WochenSpiegel auszuteilen – das übernahmen dann andere Personen und nun steht eine Kiste im Wartehäuschen und der Vertrieb klappt nicht mehr, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Meine Schwägerin erzählte mir von der  Osmanischen Herberge in Sötenich mit dem Restaurant Derwisch, denn ich war damals noch nicht durch Sötenich gefahren, sondern immer durch Steinfeld, um nach Diefenbach zu gelangen. Ich fand das schon damals sehr interessant.  Noch interessanter fand ich jedoch, daß es sich um eine Gruppe handelt, die dem Sufismus folgt. Ich hatte das Grab von Hafiz in Shiraz zweimal besucht. 

Was ist los mit der Osmanischen Herberge in Sötenich? Ich habe gestern (Samstag) angehalten. Tote Hose. Aber die Lichter für die Notausgänge brennen noch. Das zeigt eine minimale Nutzung oder einen Nutzungswillen an. Aber sonst konnte ich keine Aktivität feststellen. Auf der Internet-Seite des Osmanischen Herberge steht zum „Großen Saal“ [1]: „Die Nutzung wird noch etwas dauern. Ziel: Fertigstellung bis zum Eid ul-Fitr, um dort wieder große Treffen abzuhalten, insha'Allah. Bis dahin werden die großen Treffen im Sufizentrum Rasenmühle in Kassel stattfinden.“ Ich nehme einmal an, daß damit der 20. März 2026 gemeint ist [2]. Das Sufizentrum Rasenmühle gehört zum Verein „Sufipfad der Liebe e.V.“ [3], wo Scheikh Hassan (geboren als Peter Christian Dyck in West-Berlin [4]), der sich nicht gerne Leiter der Osmanischen Herberge bezeichnen läßt, aber er ist einer den wenigen deutschstämmigen Imame. Er hatte unter anderem in Medina und Damaskus Arabisch und den Koran studiert und hatte später zehnmal als Reiseleiter Pilgerfahrten nach Mekka begleitet. Aktuell sind „Übernachtungen in der Herberge untersagt“. Bis hierhin kann ich die Ergebnisse meiner Recherche schon einmal zusammenfassen: 1995 wurde die Osmanischen Herberge „als Sufi Zentrum für Nordeuropa“ gegründet und muß nun renoviert werden. Das Zentrum folgt der Lehre von Scheikh Muhammad Nazim al-Haqqani al-Rabbani, der aus Zypern stammte und 2014 verstorben ist. Er war Oberhaupt des Naqshbandi-Ordens. Das aber sei nun Stichwort für etwas Wissen über den Sufismus.

Wenn ich mich nun in verkürzender und vereinfachender Weise dem Sufismus nähere, dann nehme ich dazu zwei Quellen: das Buch „Sufismus“ von Annemarie Schimmel [5] und den Wikipedia-Artikel [6]. Die Etymologie des Wortes Sufi ist nicht völlig geklärt, aber wahrscheinlich kommt das Wort Sufi von arabisch ṣūf ( صُوف) – „Schurwolle“ und weist auf die einfache Kleidung der Derwische hin. Der Sufismus ist aus Formen der Askese hervorgegangen. Man nahm im Westen zur Zeit Johann Wolfgang von Goethes die „umherschweifenden, heulenden, tanzenden Derwische“ wahr. Goethes „West-östlicher Divan“ [7] ist eine Begegnung des Westens mit persischer Dichtung aus dem Sufismus; ich erinnere mich gut an die private Lesung von Hans Conrad Zander daraus am Grab von Hafiz (1330-1389) in Schiraz. 

„Auf der Spur der jungen Rose, lieber Gott, wo ist mein Herz
Hingelaufen, denn ich hab es nicht gesehn seit Tag und Nacht?“ [8]

Die Rose gilt als Symbol im Sufismus: die Dornen stehen für das Gesetz, der Stängel für den Weg, die Blüte die Wahrheit, der Duft für die Erkenntnis. 

Grab von Hafiz 2018

Grab von Hafiz 2004


Hier ist gut Abschweifen! Ich kann nicht umhin, noch einen persischen Dichter zu nennen, dessen Grab ich auch besucht habe, aber das war insofern einfach, da es sich direkt beim Grab von Hafiz befindet. Ich spreche von Saadi oder Sa'di (ca. 1210 bis ca. 1292), der bekannt wurde durch die beiden Werke Bustān („Duftgarten“) und Golestān („Rosengarten“) und ebenfalls ein Mystiker war, wobei nicht klar ist, ob er Sufi war.  

Oder die Schriften von Jelaladdin Rumi (1207-1273) [9]:
„Ohne die Liebe, sag, wäre das Leben da schön?
Sieh, nur die Liebe kann Freude und Frohsinn erhöhn!“ 

Auf Rumi aber geht der Mevlevi Derwisch-Orden [10] zurück. Heute gilt die Stadt Konya [11] als Ursprungsort dieses Ordens. Es geht im Zusammenhang mit Rumi um die Musik, die als Begleitung für Kreistänze der Semâ-Zeremonie diente. Im Westen wurde dieser Trancetanz unter dem Stichwort „drehende Derwische“ bekannt. Er ist eine der möglichen Formen des Dhikr, „der meditativen Übung zur Vergegenwärtigung Gottes“ [12]. 

Im Westen sind auch die Eulenspiegeleien oder besser Lehrgeschichten eines Sufis bekannt – des Nasruddin Hodscha oder Nasreddin Hodscha [13], dessen Geschichten ich vor 1-2 Jahren gelesen habe, aber das Buch gerade nicht finde.

Kehren wir aus dem Mittleren Osten nach Sötenich zurück. Wie las ich da? „Treffen in der kleinen Moschee / Bis auf Weiteres nutzen wir die kleine Moschee im Kellergeschoss für unsere Versammlungen (z. B. Dhikr und Juma)“. Was sich hinter Dhikr verbrigt, wissen wir nun. Der Sufismus wird wegen seines Mystizismus als unpolitisch wahrgenommen. Das ist er selbstverständlich als Teil des Islams nicht. Aber trotzdem würde der Region etwas fehlen, wenn die Osmanische Herberge im März 2026 nicht wieder öffnen würde.





Links und Anmerkungen:
[1] https://osmanische-herberge.de/ 
[2] https://www.timeanddate.de/feiertage/deutschland/id-al-fitr 
[3] http://www.sufipfad.de/2025/06/22/summer-camp-31-7-10-08-25/ 
[4] Ich hörte aus Berlin-Wilmersdorf. Da wurde einer meiner Großväter am 27.09.1918 konfirmiert.
[5] Annemarie Schimmel: Sufismus. Eine Einführung in die islamische Mystik. C.H. Beck, München 2000/2008. ISBN: 978-3-406-46028-9.
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Sufismus 
[7] Johann Wolfgang von Goethe: West-östlicher Diva. Verlag Heinrich Ellermann, Hamburg 1947.
[8] A. Schimmel, W. Gundert, W. Schuring (Hrsg.): Lyrik des Ostens. Gedichte der Völker Asiens vom Nahen bis zum Fernen Osten. marixverlag, Wiesbaden 2004. ISBN: 3-937715-27-4. S. 103. Die Übersetzung stammt von Friedrich Rückert (1788-1866).
[9] a.a.O. S. 97. Die Übersetzung stammt von Annemarie Schimmel (1922-2003). Rumi kenne ich allerdings besser aus: Erkan Türkmen: Besinnung Mevlana Jelaleddin Rumis Schönste Verse. Nüve Kültür Merkezi, Konya/Istanbul 2011. ISBN: 978-605-4336-31-9.
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Mevlevi 
[11] Dort war auch Paulus vor fast 2000 Jahren, als die Stadt noch Iconium hieß. Paulus und Barnabas in Lystra 
https://rheumatologe.blogspot.com/2024/02/paulus-und-barnabas-in-lystra.html 
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Dhikr 
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Nasreddin  

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