Tuesday, October 21, 2025

LYRIK-Taschenkalender 2013 11. KW 20.10.2025


Michael Braun hat den LYRIK-Taschenkalender 2013 herausgegeben. 17 Dichterinnen und Dichter stellten jeweils zwei Lieblingsgedichte mit Kommentar vor. Von diesen AutorInnen wählte der Herausgeber je ein exemplarisches Gedicht aus und kommentierte es. In diesen Taschenkalender habe ich nun wieder Annotierungen und Assoziationen geschrieben. Vielleicht so ein wenig wie Daniel Spoerris: An Anecdoted Topography of Chance (1966 Something Else Press, New York / Cologne). Diese Annotationen stammen aus den Jahren 2023-2025.


11. KW
Friedrich Hölderlin: Abendphantasie


Ich erinnere mich noch daran, daß Helmut Kohl einmal gesagt hatte: „Ich war immer gut in Hölderlin“ [1]. 

Sanft schweben die Schatten 
Im schwindenden Schein des Tages 
Die Nacht macht sich auf 

Wenn ich dieses Gedicht lese, hätte ich auch am Hölderlin Gymnasium [2] sein können, aber nein, neusprachlich war schon besser, und so viel Herder anstatt Hölderlin haben wir auch nicht gelesen 

Der Zauber der Frühlings-/SommerAbende, wenn sich der Himmel herrisch gibt, aber die Vögel noch zwitschern; manchmal kann man es auch in der Stadt erleben, aber nur manchmal. 

FrühlingsAbend 
    die Katze 
Gleitet 
Lautlos 
Durch 
Den 
Garten 
Die 
Vögel 
Singen 
Fröhlich 
Noch 
Und 
Der 
Himmel 
Wandelt 
Sich 
EbenSo lautLos
    In 
Ein FeuerWerk 

„Komm du nun, sanfter Schlummer“ -: The Big Sleep erneut [3]


11. KW
Kommentar:  Jean Krier


Die Jugend ist Schwärmerei, nicht unbedingt das Paradies. Friedlich und heiter ist für mich nicht Verzicht oder Resignation. 

„… der Trennung … von Mensch und Natur (All)“ -: „Ich nenne es Stich ins All“ [4]. 

Jean Kriers Text ist schön. Aber die theoretische Betrachtung kann der Schönheit und Stimmung des Gedichts nicht gerecht werden. Das schließt mich ein. 

Stachel plus Schlummer -: nicht doch -: Tod, wo ist dein Stachel? 

Wir Sterblichen leben für Arbeit und Lohn 
Der Aufseher Schilt uns mit Lachen und Hohn 
Den Zauber des Himmels sehen wir nie 
Wir liegen zum Schlaf ganz eng wie das Vieh 

 




Links und Anmerkungen:
[1] https://www.welt.de/kultur/article166145036/Helmut-Kohl-Wie-der-Kanzler-unsere-Sprache-praegte.html Sicherlich nicht das Originalzitat, denn in unserer Familie kenne ich niemanden, der Die Welt gelesen hätte und es lag nach meiner Erinnerung auch länger zurück. 
[2] Das Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium [2a] liegt in Köln-Buchheim und das Städtisches Hölderlin-Gymnasium Köln [2b] in Köln-Buchheim. Prinzipiell wäre die Strecke zum Hölderlin etwas 400-500 m kürzer gewesen; ich hätte gedacht, es wäre umgekehrt! In den 1960iger Jahren waren das Herder-Gymnasium neusprachlich und das Hölderlin-Gymnasium altsprachlich ausgerichtet.
[2a] Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium 
https://herder-koeln.de/ 
[2b] Städtisches Hölderlin-Gymnasium Köln
https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4dtisches_H%C3%B6lderlin-Gymnasium_K%C3%B6ln  
[3] Tote schlafen fest (The Big Sleep) ist ein Film noir von Howard Hawks nach Raymond Chandlers Roman mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall au dem Jahr 1946. 
https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_schlafen_fest  
[4] Eine Karikatur im STERN vor langer Zeit. Man sieht einen Künster vor einer leeren Leinwand, in der ein Nagel steckt, und der Künstler kommentiert sein Werk mit: „Ich nenne es Stich ins All“.

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