Sunday, November 5, 2023

Altargesteck am 05.11.2023 – 22. Sonntag nach Trinitatis


Der 22. Sonntag nach Trinitatis widmet sich der Vergebung [1]. Natürlich ist der Wochenspruch auch auf dieses Thema hin ausgewählt worden: „Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.“ [2]

In der Lesung aus dem Evangelium wurde die Geschichte vom Schalksknecht [3] ausgesucht. Auf die einleitende Frage, wie oft wir  vergeben sollen, antwortet Jesus: „Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“ Die Geschichte vom Schalksknecht erzählt von einem Diener der 10.000 Zentner Gold nicht zurückzahlen konnte und mit seiner Familie in die Sklaverei geschickt werden sollte. Er bat um Gnade  und wurde von seiner Schuld freigesprochen. Er traf daraufhin einen andere Diener, der ihm 100 Silbergroschen schuldete und überantwortete ihn dem Gefängnis, da er nicht zahlen konnte. Seine Mitknechte brachten bei ihrem Herrn vor, was sich begeben hatte. Daraufhin sagte dieser: „Du böser Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast; hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe? Und sein Herr wurde zornig und überantwortete ihn den Peinigern bis er alles bezahlt hätte, was er schuldig war. So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder.“

Der Predigttext steh im ersten Brief des Johannes [4]. Wer war der Schreiber dieses Briefes? Wer der Schreiber dieses Briefes war, bleibt ungewiß. Trotz einer Nähe zum Johannesevangelium, nimmt man nicht Johannes, den Verfasser des Johannesevangeliums, als Autor des Briefes an [5]. Es handelt sich doch um einen Brief und nicht eine theologische Abhandlung. Es geht auch hier um das Vergeben. Uns sind die Sünden vergeben, daran erinnert uns diese Textpassage. Im Vaterunser heißt es: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Und da sind wir wieder bei dem Negativbeispiel des Schalksknechtes oder vielleicht verständlicher mit „böser Knecht“ übersetzt, der die erlebte Vergebung nicht in eigenes Handeln umsetzen konnte.

Verzeihen oder Entschuldigen können wir im Bereich kleinerer Verletzungen des sozialen Alltagslebens ansiedeln. Die Versöhnung ist ein viel bedeutender Akt, der dem Vergebenden einiges abverlangt, aber auch vom Vergebung suchenden Reue und Buße verlangt, vielleicht auch Wiedergutmachung. Die Vergebung schließt allerdings nicht die Versöhnung ein.

Aus der Predigt in der Versöhnungskirche (Wolfgang Grube) möchte ich noch das Gebet aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück [6] aufgreifen. Es beginnt so:
„Friede den Menschen, die bösen Willens sind,
und ein Ende aller Rache
und allen Redens über Strafe und Züchtigung.“

Und da war dann noch die Epistel [7]. Aus dem Römerbrief. Ich möchte es einmal so sagen: das ist theologisches Sudoku. Texte, die ich als Presbyter vorlesen soll, lese ich gewöhnlich einfach so ab und verheddere mich selten. Beim Römerbrief würde ich das nicht wagen. Und manchmal nehme ich auch die BasisBibel, damit ein Zuhörer auch die Chance hat, es zu verstehen. Ansonsten lese ich lieber in der „Lutherübersetzung“ von 2017. Ich muss gestehen, daß ich Lösungen dieses theologischen Sudokus gesehen habe, aber selbst nicht zu einer gelangt bin; aber vielleicht kann sonst jemand die Nuß knacken.

Das Altargesteck in Kall zeigt violette, weiße und rosa Töne als einem Blick in die nahe Zukunft. Der Buß-und Bettag und die Adventszeit haben Violett als liturgische Farbe, der Ewigkeitssonntag Weiß und an den Adventssonntagen Gaudete und Rorate wird in einigen wenigen lutherischen Gemeinden Rosa „geflaggt“. In der Versöhnungskirche ist Gelb die tragende Farbe, auch eine schöne Farbe, aber keine liturgische Farbe.



Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß
auf einem Fahrrad von Ai Weiwei (艾未未).

Links und Anmerkungen:
[1] https://www.kirchenjahr-evangelisch.de/article.php#1141
[2] Ps 130,4 Vielleicht ist hier mehr Ehrfurcht als Angst gemeint, allerdings hat das hebräische Original tiw·wā·rê – Du könntest gefürchtet werden; hier nachzuschauen:  https://biblehub.com/interlinear/psalms/130.htm  
[3] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/MAT.18/Matth%C3%A4us-18 Mt 18,21–35
[4] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/1JN.2/1.-Johannes-2 1. Joh 2,12–14
[5] Hans Conzelmann und Andreas Lindemann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament. 11. Auflage. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 1995. ISBN: 3-8252-0052-3 (UTB). S. 377ff. Und auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Briefe_des_Johannes
[6] Im Evangelischen Gesangbuch gegenüber von Lied 94. Oder: Gebet aus dem KZ Ravensbrück aus: „Magnificat. Die heilige Woche 2018“ (Butzon & Bercker, Kevelaer) https://www.herder.de/cig/cig-ausgaben/archiv/2018/11-2018/das-gute-zaehlt/
[7] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/ROM.7/R%C3%B6mer-7  Röm 7,14–25a

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