Monday, November 27, 2023

LYRIK-Taschenkalender 2016 53. KW 24.11.2023

 


Michael Braun hat den LYRIK-Taschenkalender 2016 herausgegeben und zusammen mit Henning Ziebritzki alle am Taschenkalender beteiligten Autoren  mit je einem Gedicht vorgestellt und kommentiert. Die 17 Dichterinnen und Dichter stellten jeweils zwei Lieblingsgedichte mit Kommentar vor. Diesen Taschenkalender habe ich nun wieder herausgesucht, denn er hatte mich eingeladen zum Annotieren und Assoziieren, zum Erstellen von GegenEntwürfen. Vielleicht so auch ein wenig wie Daniel Spoerris: An Anecdoted Topography of Chance (1966 Something Else Press, New York / Cologne). Diese Annotationen stammen aus den Jahren 2022-2023.


Editorial von Michael Braun

Das fängt ja gut an. Der Kalender beginnt mit dem Editorial und dann … dann kommt überraschenderweise die 53. Kalenderwoche. Sei's drum!

Heidelberg, Sommer 2015 -: Was wäre, wenn dort Beirut anstatt Heidelberg [1] gestanden hätte?

53. KW
Johann Wolfgang von Goethe: Willkommen und Abschied


Das Nebelkleid hat gestern ihr vom Herbst erzählt

Und  / doch
1. Strophe 1 und 0 doch
2. Strophe 0 und 1 doch
3. Strophe 3 und 0 doch
4. Strophe 4 und 2 doch [2]

AufBruch
    mit der
MorgensSonne
Bricht
Auf
Der
Tag
Und
Wir
Brechen
Ebenso
Auf
Mit ihr
    Ins
Ferne UnGewiß
 
Ein aufgetürmter Riese
Einst fuhr ich völlig übermüdet durch Dänemark und sah im Nebel den Fuß eines Riesen. Dessen Bein sich aber rasch im Nebel verlor. Ich suchte den anderen Fuß und sah ihn nicht und dachte deshalb -: muss der groß sein, bevor ich sah, daß ich nur vier Bäume im Carré gesehen hatte. Ich lachte und fuhr weiter. Ich hätte es nicht tun sollen. Ich setzte später über nach Schweden und auf dem Weg nach Norwegen sah ich, wie zwei Schiffe in grüner Farbe sich am Bug berührten. Kurz darauf wurden die AufBauten der Schiffe auf den Seiten zu Teilen eines Dorfes. Die Straße, die eine leichte AnHöhe hochFührte, und Wiesen waren verAntwortlich für diese Halluzination. Auch da hätte ich anhalten sollen.

Goethe müßte eigentlich Gude [3] ausgesprochen werden, jedenfalls erlebte ich eine KrankenSchwester, die besonders klug sein wollte und meinte, einen Patienten mit Namen Goethe so anSprechen zu müssen. Ich habe auch schon gehört, daß der Name Goethe über Gude zu Jude geführt wurde, was natürlich nicht stimmt. Goethe war kein Jude, er war sogar antisemitisch eingestellt [4].


53. KW
Kommentar: Nora Bossong


Aber -: die Erde wog den Abend.

Der Moment Trägt das Verschwinden in sich -: das Leben ist eine AnEinanderReihung des Ephemeren.

Laß uns

    laß uns
Den
Abend
Wagen
Mit
Aller
Dunkelheit
Zu
Zweit
Und
Alle
Welt
Mag abSeits
    Stehen
UnBeteiligt

„Was bleibt denn am Ende? Der Moment“ -: ich weiß, es geht noch weiter, aber erst einmal doch nur bis hierHer und da sage ich -: Nein! Am Ende bleibt die Ewigkeit in ihrer ganzen Fülle.

„Der Moment“ als Metapher für das Leben, das eben „im Nu“ (Celan) vorbei ist „und doch“ verbirgt sich die ganze Fülle (Isha Upanishad) darin.  




Links und Anmerkungen:
[1] Und da fangen die Assoziationen schon an. Heidelberg verbinde ich mit Elvis Presley, der dort während seiner MilitärZeit stationiert war. Al Wertheimer hat nahezu 3.000 Fotografien von Elvis Presley aus dem Jahr 1956 hinterlassen [1a]. Und ich denke natürlich auch an Heidelbörrg, wie es in Arno Schmidts Version in KAFF AUCH MARE CRISIUM [1b] erscheint: „in HEIDELBÖRRG there flourished ...“.
[1a] http://daserbeunsererwelt.com/auf-schritt-tritt-mit-elvis/
[1b] Arno Schmidt: KAFF AUCH MARE CRISIUM. Band I/3.1 der Bargfelder Ausgabe. Haffmanns Verlag, Bargfeld 1987. ISBN: 3-251-80009-4. S.79.
[2] Auch diese Arbeit wird mir keiner lohnen.
[3] Sie hatte es mit dem Namen Goedeis verbunden, der hier Gudereis ausgesprochen wird, aber aus dem Niederländischen kommt und da Chu-de-reis ausgesprochen. https://www.st-franziskus-stiftung.de/neuigkeiten/meldungen/nachricht/news/detail/News/dr-klaus-goedereis-scheidet-aus-seinem-amt-als-vorstandsvorsitzender-aus.html  Gute Reise, K. Goereis zu neuen beruflichen Gefilden.
[4] Robert Schlickewitz: Wie antisemitisch war eigentlich Goethe?  24. März 2014 – 22 Adar II 5774. https://www.hagalil.com/2014/03/goethe/


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