Monday, November 27, 2023

K. auf dem Weg nach Paris

Da lag K. nun im Gras und wußte nicht, wie er dahin gekommen war. Es war das Ufer eines kleinen Sees und er wußte auch nicht, wo dieser See lag, ein See ohne Steg. K. sah keinen Steg, aber er wußte auch, daß es weder am anderen Ufer noch sonst am See einen Steg gab. Der Wind fing sich im Schilf. Kleine, weiße Wolken zogen gemächlich über den See hinweg. Es war eben romantisch. Und trotzdem war die Situation unangenehm, denn er wußte nicht, wie er dahin gekommen war, aber das weiß man nie im Traum oder weiß man im Leben, wie man ins Leben gekommen ist? Wie man geboren wurde und woher man kam? Das ist doch ungewiß. Und trotz aller Idylle wußte K., daß in einem Ferienhaus in der Nähe eine Leiche lag. Ob er etwas damit zu tun hatte? K. wußte es nicht. Jedenfalls mußte er die Idylle verlassen. Er hatte irgendwie altertümliche Kleidung an. Das war ihm zuvor noch gar nicht aufgefallen. Er trug einen Anzug. K. trägt sonst nie einen Anzug. Und in einer Tasche fand er einen Ausweis auf den Namen Marcel Richter. War K. das – Marcel Richter? Das Geburtsdatum lag weit vor dem Ersten Weltkrieg. Er nahm es hin und in einer anderen Tasche fand er eine Fahrkarte für die Eisenbahn nach Paris. Er stand auf und ging zu dem kleinen Ort, aber dafür mußte er ganzes Stück zurücklegen; Überwindung von Weidezäunen, dann eine Trift entlang. Schließlich sah K. in der Ferne den Ort, der wie ausgestorben schien. Er ging zum Bahnhof und setzte sich in den Zug, der ihn weiterbringen sollte in Richtung Paris. Es war ein altmodischer Zug, ein Zug mit einer Dampf-lokomotive, wie aus einem Film. Der Zug war so gut wie leer, aber er wollte auch nicht mit irgendwelchen anderen Leuten reden. Um niemandem einen Verdachtsmoment zu liefern. So blieb er in einem Abteil sitzen. Und wartete eine Weile. Unterdessen waren schwere, dunkle Wolken aufgezogen, aber es regnete nicht. Dann fuhr der Zug los. Bei dem Rattata, Rattata, Rattata schlief K. ein und er bemerkte noch, wie er in diesem Zug ins Träumen verfiel, so wie er als Kind ins Träumen verfiel. Aber der Zug fuhr einfach weiter und brachte ihn immer näher nach Paris. Warum nur Paris? Aber Paris ist eine Stadt, die verkehrsgünstig liegt. Was sollte er nur in Paris? Und zu welcher Zeit käme er in Paris an? K. hatte genügend Geld in der Tasche, daran sollte es nicht liegen. Er ging in den Speisewagen und ließ es sich gut gehen. Wieder zurück im Abteil schlief er ein wenig. Es wurde Nacht und er träumte wieder. Und konnte sich nicht an den Traum erinnern. Und konnte sich nicht erinnern, ob er in einem Traum träumte oder ob er in der Realität war. Der Zug fuhr weiter und schließlich kam K. am Gare du Nord an.

 

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