Sunday, September 14, 2025

Altargesteck für den 13./14.09.2025 13. Sonntag nach Trinitatis

 


Der aktuelle Sonntag ist der 13. Sonntag nach dem Trinitatis-Fest [1]. Ich kam am Samstag schon früh in der Versöhnungskirche in Köln-Holweide an, da ich neben dem Gottesdienst auch den Auftakt des Gemeindefestes mit einem Konzert der Dellfunk Brothers im Hof erwartete. Im Hof standen Autos und ein Kühl-Anhänger [2]. Ich ging in die bereits dunkle Kirche, was der langsam einsetzenden Dämmerung und dem trüben Wetter geschuldet war, aber auch dem ausgeschalteten Licht und den nicht brennenden Kerzen. Ich blickte also im Halbdunkel auf die Sitzgruppe um den Taufstein und dachte mir, da ist doch viel zu Platz. Da traf ich auf eine der Presbyterinnen und die Kantorin. Es sollte gar keinen Gottesdienst geben und die Dellfunk Brothers sollten im Gemeindesaal spielen. Ich ging nach oben in den Gemeindesaal -: und da probten sie. Und hatte ich nicht im letzten Jahr geschworen Ohrstöpsel mitzunehmen – hatte ich aber nicht! Auch nach Reduktion der Lautstärke blieb es für mich zu laut. Ich höre gewöhnlich eher dem Wind in den Bäumen oder dem Flügelschlag der Schmetterlinge zu [3]. Aber damit sind wir in der Eifel, wo am Sonntag der Gottesdienst in Kall stattfand.

Der Wochenspruch lautet: „Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ [4] 

Der aktuelle alttestamentliche Text zur Lesung spricht „Von der Heiligung des Lebens“ [5]. Dort heißt es: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der HERR, euer Gott.“ Der Text wirkte bei der Lesung gestückelt, aber das ist der Auswahl aus dem langen Text geschuldet. Ich halte ihn weiterhin für so grandios, daß ich es aufgreifen möchte, denn diese Stelle hat mich schon lange beschäftigt. Im Glaubensbekenntnis heißt es [6]: „Ich glaube an den Heiligen Geist, / die heilige christliche Kirche, / Gemeinschaft der Heiligen, /...“. Ich fragte mich, was denn die Gemeinschaft der Heiligen sei. Wer sind die Heiligen? Die Märtyrer? Die Heiligen, die von der römisch-katholischen Kirche bestimmt worden sind? Nein, wir alle sollen heilig sein, um Gottes Plan erfüllen zu können. Dafür stellt der weitere Text praktische Regeln auf, wie „Du sollst nicht unrecht handeln im Gericht“, „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ oder „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken“. Kann man dem gerecht werden? Kann man in einer religiös pluralistischen Gesellschaft (Agnostiker, Muslime, Juden, Christen, Atheisten, Buddhisten etc.) heilig leben? Vielleicht unterscheiden wir uns, wenn wir das versuchen. „Dem jüdischen Religionswissenschaftler Pinchas Lapide wird die Erkenntnis zugeordnet: "Entweder nimmt man die Bibel wörtlich - oder ernst! Beides zusammen geht nicht."“ [7] Nehmen wir die Bibel ernst und lassen uns von der Not unseres Nächsten anrühren.

Ein Gesetzeslehrer fragte Jesus: „Wer ist denn mein Nächster?“ Jesus antwortete mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter [8]. Ich bin früher einmal der Frage, ob der barmherzige Samariter Single war, so intensiv nachgegangen, daß man mich fragte, ob ich eine Obsession zum barmherzigen Samariter hätte [9]. Das Gleichnis ist eines der bekanntesten überhaupt. Die Stelle im Lukasevangelium endet so: “Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war? Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!” „Wer ist mein Nächster?“ Da sind wir wie bei Wochenspruch und alttestamentlichem Text. Es ist gar nicht so einfach zu sagen, wer bedürftig ist und schnell sieht man ein scheinbar unlösbares Problem. Kann und muß ich mich um sämtliches Leid kümmern? Das geht überhaupt nicht, ist aber gleichzeitig im Rahmen eines Alles-oder-Nichts-Prinzips auch eine hervorragende Ausrede, überhaupt nichts zu tun. 

Im Predigttext geht es um „Jesu wahre Verwandte“ [10]. Jesus predigte drinnen und Mutter wie Brüder waren draußen. Sie ließen nach ihm schicken, aber Jesus sprach: „Wer ist meine Mutter und meine Brüder?“ Er erteilt denen draußen eine Absage und denen drinnen sagte er: „Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ Da klingt erst einmal hart, wenn auch nicht so hart wie „Lass die Toten ihre Toten begraben“ [11]. Oder als er seine Mutter mit Wein anredete [12]. Die Sache mit draußen und drinnen hat mich sehr beschäftigt. Im Chinesischen ist das Zeichen für draußen () und für drinnen (). Der Ausländer ist ein Mensch von draußen (外國人), wörtlich von außerhalb des Landes, und der Mensch drinnen ist allerdings die eigene Frau (內人). Die Chirurgie ist draußen (外科) und die Innere Medizin (內科), das deckt sich mit dem dem hippokratischen Eid [13], überspitzt, man solle sich als Arzt nicht mit der schneidenden Zunft, also den Badern, einlassen. Zurück zum biblischen Text. Hier geht es um die Unterscheidung von irdischer und himmlischer Familie. Und wir dürfen uns auch als Geschwister der himmlischen Familie betrachten, wie es einer Gebetsformel zu Jesus Christus heißt: „unserem Herrn und Bruder“.

Das Gesteck in der Versöhnungskirche versteckte sich im Halbdunkel [14]. Das Gesteck in Kall gefiel mir, aber die Küsterin war nicht ganz zufrieden, da der Grundstock aus der Vorwoche stammte und sie doch viel hatte entfernen müssen. Grün – Weiß – Rot. Vielleicht hatten mich die Farben der italienischen Flagge so positiv gestimmt, da ich am Vortag Gedichte von Margherita Guidacci gelesen hatte.



Links und Anmerkungen:
[1] https://kirchenjahr-evangelisch.de/13-sonntag-nach-trinitatis/  
[2] Das Logo gehört zu einer bekannten Kölner Brauerei, aber auch Wasser verschiedenen CO2-Inhalts, Cola, Limonate und Wein waren darin.
[3] Geschenkt! Da habe ich mich zu einer diskreten Übertreibung verleite lassen.
[4] Mt 25,40b
[5] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LEV.19 3. Mose 19,1–3.13–18.33–34 
[6] Evangelisches Gesangbuch. Gütersloher Verlagshaus 1996. ISBN: 978-3579000435. S. 1309.
[7] Jürgen Kaiser: Pure Provokation. Zentraler Eckstein. In:
zeitzeichen 8/2024, ISSN: 1616-4164. S. 59.
[8] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LUK.10 Lk 10,25–37
[9] Ich bin früher einmal der Frage auf Twitter nachgegangen, ob der barmherzige Samariter Single war. Man fragte mich, ob ich eine Obsession zum barmherzigen Samariter hätte.
[10] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/MRK.3 Mk 3,31–35 
[11] Lk 9,57-62 
[12] „Weib, was geht es dich an, was ich tue“ (Jh 2,4) und„Weib, siehe das ist dein Sohn“ (Jh 19,26). 
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Eid_des_Hippokrates 
[14] Ich assoziierte gerade mit diesem Gesteck -: Travestie-Show.

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