Thursday, December 2, 2021

Tee und Beimengungen

 




Ist es noch Tee, wenn man etwas dazu tut? Der Purist in mir sagt nein, aber die Praxis und auch die Geschichte sagt ja. Dröseln wir das einmal auf, denn es gibt Tees, da würde ich es als Verbrechen ansehen, etwas bei zu mengen und bei anderen ist es historisch gewachsen und dann kann man es machen oder sein lassen.

Es gibt Beimengungen vor und nach der Zubereitung. Klassische Beispiele für Veränderungen vorher sind Jasmintee und Earl Grey Tee. Und Beimengungen nachher sind so alt wie der Tee. Bis zur Tang-Zeit ähnelte Tee mehr einer Suppe. Reine Kräutertees möchte ich heraus halten, aber man kann Tee und Kräuter mischen.

Grüntee
Bei guten chinesischen oder japanischen Grüntees etwas beizumischen, da ist bei mir eine Grenze überschritten, so daß ich das Ergebnis nicht mehr akzeptieren kann. Die Chinesen haben einen Ausdruck dafür: 画蛇添足 – das bedeutet: einer Schlange Beine anfügen, also etwas Überflüssigen machen. Mit einer Beimengung vorher oder den Hinzufügen von Zucker, Milch oder Zitrone würde man das feine Aroma zerstören. Bei diesen Teesorten kann es schon notwendig sein, besonders auf Wasser und Brühtemperatur zu achten, auch wenn man da zu viel des Guten tun kann.



Es gibt Jasmintee und ich erinnere mich an die Zeit vor dem Studium in Taiwan, als ich im China-Restaurant ehrfürchtig den exklusiven Jasmintee schlürfte. In Taiwan gab es Jasmintee (茉莉花茶) in der Sprachschule (師大國語中心) [1]. Taiwan liegt in den Subtropen und Taipei (台北) liegt in einem Kessel. Da braucht man viel Tee. Wir, Schüler:innen wie Lehrer:innen hatten alle eine eigene gedeckelte Tasse und füllten den Jasmintee aus einer Art Samowar ab, den der Hausmeister regelmäßig befüllte – mit einem Eimer, wie ich ihn heutzutage im Garten benutze. Das hört sich jetzt nicht mehr exklusiv an, aber es war ein Gebrauchstee und somit völlig in Ordnung. Und ehrlich gesagt, so schlecht war er gar nicht.



Dann gibt es Tees aus Japan, die aus der (schwurbeligen) Makrobiotik-Ecke kommen und z.B. eine Mischung mit geröstetem Reis sind. Diese Tees und wo z.B. Ringelblumen oder Kornblumen beigefügt wurden oder das Wort Aroma auf der Inhaltsliste steht, wären auch nicht meine preferierten Sorten.

Oolongtee
Oolongtees weisen für sich so viele geschmackliche und olfaktorische Nuancen auf, daß ich in diesem Fall völlig von Beimengungen abraten möchte. Das kann man auch den teuren Grüntees zusprechen.

Schwarztee
Es gibt parfümierte Schwarztees oder solche mit Blüten- oder anderen Beimengungen, die dann nach Salzkaramell, Whiskey, Bratapfel usw. schmecken. Essen Sie Salzkaramell, Bratapfel und trinken davon unabhängig einen Tee, aber doch nicht dieses Gemansche.

Es gibt einen Schwarztee mit Rosenblüten (玫瑰紅茶) bereits seit der Ming-Zeit (明代), aber ehrlich, auch wenn er aus China stammt und schon hunderte von Jahren alt ist, macht es ihn mir auch nicht attraktiver.


Auf Arabisch steht dort der Firmenname: Mlesna

Kommen wir nun zum Earl Grey Tee [2]. Ein befreundetes Ehepaar hatte, obwohl sie etwa 700 km voneinander entfernt aufgewachsen sind, ein identisches kindliches bzw. jugendliches Trauma, wobei Trauma vielleicht ein zu starkes Wort ist. Beide Mütter hatten viel Aufhebens um das Trinken von Earl Grey Tee gemacht. Beide Freunde tranken im späteren Leben nie wieder Earl Grey Tee. Schon der geringste Duft von Bergamotte rief negativ belegte Erinnerungen zurück. Ich nehme an, daß hinter Vorliebe der Mütter für Earl Grey Tee eine Assoziation mit Vornehmheit, Stil oder Oberschicht steckt. Earl Grey Tee wird aus schwarzem Tee und Bergamotteöl hergestellt. Earl Grey Tea „ist vermutlich nach Charles Grey, II. Earl Grey, britischer Premierminister in den 1830er Jahren, benannt“ [3]. Twining's war das erste Unternehmen, das Earl Grey Tee auf den Markt brachte. Im Jahr 2011 wollte Twining die Formulierung ändern, aber die Öffentlichkeit reagierte so, wie der Telegraph es beschrieb: „Es ist der ultimative Sturm in einer Teetasse“. Twining wollte „einen Schuss Zitrone“ hinzufügen. Sollte nicht zu falsch sein?! Denken Sie daran, daß Professor Langdon Sir Leigh Teabings Frage beantworten musste, wie er seinen Earl Grey Tee einnehmen wollte [4].

Milch und Milchalternativen
ProVeg hat einen Artikel über den „facettenreichen Teegenuss“ [5] auf der Homepage. Man vertritt die Meinung „Tee am besten mit pflanzlicher Milch [zu] genießen“, was nicht verwundert, da der Verein eher vegan ausgerichtet ist. Der Link zu dem Artikel bzw. des Presseberichts über die Ergebnisse der betreffenden Studie funktioniert leider nicht mehr, aber das Schöne an der Wissenschaft ist, daß sich so etwas finden läßt. Hüstel! Diese Aussage macht die Studie „Addition of milk prevents vascular protective effects of tea“ [6] von M. Lorenz und Kollegen allerdings nicht. Unter Methoden steht u.a.: „Insgesamt 16 gesunde weibliche Probanden tranken zur Kontrolle entweder 500 ml frisch gebrühten Schwarztee, Schwarztee mit 10 % Magermilch oder abgekochtes Wasser.“ Somit ist die Aussage nur für die Verhinderung eines protektiven Effekts durch Kuhmilch zulässig, aber daß sich Milchalternativen anders verhalten würden, ist einfach nicht untersucht worden und damit eine unzulässige Aussage. Vielleicht hat der Autor des ProVeg Artikel sogar recht, denn man könnte überlegen, daß die Milchalternativen weniger Eiweiß enthalten, aber das muss man erst einmal untersuchen. Ich würde aber auch die Milchalternativen aus einem anderen Grund weglassen: der geschmacklichen Veränderung des Tees.

Zusammenfassend halte ich wenig von Beimischungen vor oder nach der Zubereitung von Tee. Zu einigen habe ich mich in diesem Blogpost nicht geäußert, wie dem Tee in Jordanien/Arabien/Levante, dem Tee im Maghreb und der Sahelzone, dem tibetanischen Buttertee, dem Tee in Ostfriesland und vielleicht noch weiteren – das werde ich aber später nachholen.



Links und Anmerkungen:
[1] https://rheumatologe.blogspot.com/2017/02/studying-chinese-in-taiwan.html
[2] https://rheumatologe.blogspot.com/2018/11/a-cup-of-earl-grey-tea.html
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Earl_Grey_tea
[4] Einen Augenblick! Langdon erinnerte sich jetzt an das bittere Getränk, das ihm bei seinem letzten Besuch serviert worden war, und erkannte, dass diese Frage ein Trick war. „Zitrone!“ erklärte er, „Earl Grey mit Zitrone.“  Übersetzt nach: https://davincicode.bib.bz/chapter-52  
[5] https://proveg.com/de/ernaehrung/lebensmittel/tee/  
[6] Lorenz M, Jochmann N, von Krosigk A, Martus P, Baumann G, Stangl K, Stangl V. Addition of milk prevents vascular protective effects of tea. Eur Heart J. 2007 Jan;28(2):219-23. doi: 10.1093/eurheartj/ehl442. Epub 2007 Jan 9. PMID: 17213230. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17213230/

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