Monday, May 8, 2023

Die wertvolle Schale oder Wabi-Sabi

 



Manche suchen Klangschalen, um eine besondere Schale zu besitzen, aber bei aller Esoterik, das Besondere können nur wir in den Gegenständen entdecken. Die etwas unscheinbare Schale entdeckte ich in einem Geschäft für alle möglichen Waren, Hauptsache sie sind billig und nicht etwa nur preiswert. Dort kann man solche Schalen finden. Und ich fand diese schon im Originalpreis absurd preiswerte Schale nochmals um 50% reduziert, also sehr billig. Soll man so eine Schale kaufen? Nicht unbedingt, es sei denn, man schaut genau hin und entdeckt ein nicht eingeplante Schönheit.

Ich habe schon einmal das Konzept des Wabi-Sabi erwähnt [1] und zwar im Zusammenhang mit meiner bereits 30 Jahre andauernden Suche nach einem Portemonnaie, da dasjenige, das ich benutze, „abgewetzt bis zum Wabi-Sabi“ ist. Wabi-Sabi (Japanisch
侘寂) ist ein japanisches Konzept der Wahrnehmung von Schönheit, „die sich in der Hülle des Unscheinbaren verbirgt, die herbe Schlichtheit, die dem Verstehenden doch alle Reize des Schönen offenbaren (Wilhelm Gundert)“ [2]. Eng verbunden damit ist auch Kintsugi (金継ぎ), also diese mit goldhaltigem Lack geflickte Keramik. [3] Kintsugi ist eine traditionelle japanische Reparaturmethode für Keramik, bei der in der Kittmasse pulverisiertes Gold oder z.B. auch Silber und Platin eingestreut sind. Da sind wir also zurück bei der Schale.

Die Schale ist ein Industrieprodukt und sie hat die Qualitätskontrolle nicht passiert, denn sie ist zum Unikat geworden und weist nicht mehr die maschinelle Gleichheit von einem Stück zum anderen auf. Interessanterweise weist man auf die Craquelé-Glasur (die feinen Sprünge in der Glasur) hin, die von „Hand“ erfolgt sei. Wenn man in die Schale schaut, dann man Unterschiede in der Farbe der Rosette sehen, denn bei 1:00-2:00 Uhr und bei 7:00-8:00 Uhr ist sie viel dunkler als bei 3:00-4:00 Uhr. Außen wird es noch interessanter, denn da sieht man einen Schnitt in der Schale, der allerdings völlig mit Glasur überdeckt ist. Wahrscheinlich war eine scharfe Kante beim Umstellen der Schale im Weg und hat sie vor dem Brennen geritzt. Gut, daß man die Schale nicht zu den Scherben geworfen hat, sondern daß man sie verscherbeln wollte.

Was für eine Funktion wird diese Schale haben? Wahrscheinlich keine Alltagsfunktion, denn ich besitze genügend Schalen. Vielleicht stelle ich sie an einen Ort, wo ich sie ab und zu ansehen kann, um mich mehr in die Tiefe der Schlichtheit zu versenken.





Links und Anmerkungen:
[1] À la recherche du portefeuille simple https://rheumatologe.blogspot.com/2022/12/a-la-recherche-du-portefeuille-simple.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Wabi-Sabi Über Wilhelm Gunderts epochale Übersetzung „Bi-yän-lu: Meister Yüan-wu's Niederschrift von der Smaragdenen Felswand“ müßte ich schon längst geschrieben haben.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Kintsugi Für etwas über etwas über 4.000 € bekommt man schon eine schöne, geflickte Schale der Momoyama-Periode (1568-1600): https://www.etsy.com/de/listing/528066411/karatsu-schale-6084k-momoyama-periode?click_key=82fa9ca0c4bb6ffe1d20ba3468b0809154b7f954%3A528066411&click_sum=5e02879c&external=1&rec_type=cs&ref=pla_similar_listing_top-6   


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