Bildausschnitt von einer Wand in einem Kloster - sicherlich mehr als 108 Buddhas |
Bis vor einigen Tagen sagte mir Gurk überhaupt nichts. Gurkha, das hätte mir etwas gesagt, nicht zuletzt, weil ich über das Messer der Gurkha eine Geschichte geschrieben hatte [1]. Andere Zeitgenossen mögen an Gurke denken. Aber Gurk ist der Name einer Gemeinde in Kärnten, die sich nach dem Flüsschen Gurk benannte; Gurk kommt von gurgelnd. Eine sehr romantische Namensgebung.
Ich las in dem Buch Wurzeln und Visionen [2]: „... folgte 200 Jahre später die wesentlich schlichtere Umsetzung des Evangelien-Dramas im Gurker Fastentuch – 108 Szenen in 99 Bildfeldern, die 1458 von Meister Konrad von Friesach auf eine über 80 Quadratmeter große Leinwand gemalt wurden, ...“. Das ist nun sehr vereinfachend und inkomplett, denn da finden sich auch Szenen aus dem Alten Testament, aber da waren die Zahlen 99 und 108. Die hatte ich in einer Geschichte meines Freundes Hans Conrad Zander gelesen und zwar in „Der Computer des heiligen Domenikus“ [3]: „Die Sufi-Mystiker brauchten ein Computum mit 99 Knoten und Perlen, um beim Beten keinen der 99 „schönen Namen“ Allahs zu vergessen.“ Aber der Rosenkranz war schon früher in Indien bekannt und im Buddhismus betete und betet man 108mal „Om mani padme hum! „Wie so vieles Heilige, so hat auch die Zahl von 108 Perlen im buddhistischen Rosenkranz einen profanen Grund.“ Die buddhistischen Rosenkranzanbeter konnten nicht sicher sein, „ob ihnen nicht die eine oder andere Perle unbeachtet durch die Finger geglitten war, so beteten sie zur Sicherheit 108 – ...“.
Kommen wir zurück zum Fastentuch von Gurk. Es ist das älteste und größte dieser Fastentücher und wird nur zur vorösterliche Fastenzeit aufgehängt [4]. Das Fastentuch zeigt auf der linken Tuchhälfte „in 50 Bildfeldern 56 Szenen aus dem Alten Testament und auf der rechten Tuchhälfte in zehn Reihen in 49 Bildfeldern 52 Szenen aus dem Neuen Testament“. Und so kommen die Zahlen 99 und 108 zustande. Der Dom zu Gurk wurde zwischen 1140 und 1200 erbaut und gehört, „dank der geringen baulichen Veränderungen zu den bedeutenden romanischen Bauwerken in Europa“. „Die mit 100 Säulen gestaltete Krypta ist der älteste Teil der Kirche. Im Jahr ihrer Weihe 1174 wurde das Grab der heiligen Hemma von Gurk dorthin verlegt.“ [5]
Wenn man sich den Artikel „Hundertacht“ auf Wikipedia ansieht [6], dann erfährt man etwas über die religiösen Zusammenhänge in Asien, aber auf das Warum geht der Artikel nicht ein. Immerhin veranlaßte er mich, nochmals in der Lankavatara-Sutra nachzulesen [7]. In Kapitel 2.2. unter 9. (S. 23): „I am Mahāmati, Blessed One, and I am well versed in the Mahāyāna. I wish to ask one hundred and eight questions of thee who art most eloquent.“ Das führt uns aber nicht weiter. Es ist interessant, was alles der Zahl 108 von unterschiedlichen Glaubensrichtungen zugeordnet wurde [8]. Ein Ansatz könnte die Harshad-Zahl sein, denn 108 gehört dazu. Harshad ist Sanskrit und bedeutet Freudenspender. Harshad-Zahlen sind solche, die ihre Quersumme teilbar sind. Aber auch das ist eine Sackgasse. Ich fand folgende Antwort: „Aber warum wird 108 als heilig angesehen? Die Antwort ist, genau wie jede andere Antwort, die man von seinen Eltern bekommen wird, daß es in Mathematik und Naturwissenschaften begründet ist.“ [9] Der Kölner würde treffender sagen: „M'r wesse et nit.“ Swami Sivanandameint meint, man müsse immer eine Mala dabei haben („Rudraksha or Tulsi Mala of 108 beads can be used.“), aber über die Zahl 108 läßt er sich nicht weiter aus [10].
Und damit komme ich wieder zurück zu Hans Conrad Zander. Es ist unklar, wie die Zahl zustande gekommen ist, man kann nachträgliche Begründungen liefern, aber die wahrscheinlichste davon ist, daß man sicher sein wollte, auch die gewünscht Menge erreicht zu haben. Dann wird das Unterfangen (egal welches) heilig, denn man hat 100 und ein paar zerquetschte erreicht.
Der Japa-Beutel mit Zählperlen und die hellen, geschnitzten Holzperlen sind dem Hinduismus zuzuordnen, die dunklere Mala ist buddhistischen Ursprungs. |
Links und Anmerkungen:
[1] Wie das Khukuri Messer seinen Namen bekam - eine fast wahre Geschichte https://rheumatologe.blogspot.com/2023/04/wie-das-khukuri-messer-seinen-namen.html
[2] Ernst Trost: Das Stift in Gurk. In: Eckhard Bieger (Herausgeber): Wurzeln und Visionen : auf den Spuren einer lebendigen Kirche. [ZDF , ORF]. Claudius-Verlag, München, Pattloch 1999. ISBN 13: 9783532622476. Hier S. 147.
[3] Hans Conrad Zander: Wie der Erzbischof von Köln heiraten musste. Patmos Verlag, Düsseldorf 1995. ISBN: 3-491-72324-8. S. 64-71. Da die Geschichte „Der Computer des heiligen Domenikus“ mit den 20 Pflaumen und ein paar zerquetschten viel schöner ist, lohnt es sich, sie dort nachzulesen.
[4] Rosmarie Schiestl: Das Gurker Fastentuch - eine kunsthistorische Betrachtung. https://de.wikipedia.org/wiki/Dom_zu_Gurk Hier sind auch alle Einzelbilder/-szenen beschrieben.
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Dom_zu_Gurk Hier stehen noch weitere interessante Einzelheiten zum Dom zu Gurk.
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Hundertacht
[7] Daisetz Teitaro Suzuki: The Lankavatara Sutra: A Mahayana Text. Translated for the first time from the original Sanskrit. G. Routledge and Sons, Limited, London 1932. PDF-Datei einer späteren Ausgabe: https://terebess.hu/zen/mesterek/Lankavatara.pdf
[8] https://www.thezenlife.com/blogs/news/the-significance-of-the-number-108
[9] Vollständig: https://www.hinduamerican.org/blog/heres-how-the-number-108-binds-us-to-the-universe/ „But why is 108 viewed as holy? The answer, just like every other answer you will get from your parents, is that it lies in math and science. Vedic sages, pre-dating modern mathematical formulas, had it all figured out! According to Vedic cosmology, 108 is the basis of creation, represents the universe and all our existence.“
[10] Swami Sivananda: Japa Yoga. The Sivananda Publication League, Rishikesh 1939. S. 83 ff.
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