Tuesday, October 6, 2020

Das süsse Leben im Harz

 


Ungefähr 30 Jahre lang hatte ich gedacht, dass es das Bild „Das süsse Leben im Harz“ nicht mehr gäbe. Ich dachte, es sei zusammen mit anderen Dingen bei der Auflösung der Wohnung meiner Großmutter auf dem Müll gelandet. Und nun habe ich es wieder gefunden.

Jetzt mag man sich fragen, was denn so besonders sei an diesem Urlaubsfoto von drei rotunden Damen. Ja, es ist „nur“ ein Urlaubsfoto, aber der Text dazu hat mich schon als Kind beschäftigt. Ich habe sehr schnell Lesen gelernt und schon ab dem zweiten Schuljahr Bücher ausgeliehen. Ich habe mich nach einem Nachtdienst in der Straßenbahn nach vorne gearbeitet und hatte nach den fünf Stationen alle Zeitungen gelesen. Wenn ich neben jemandem saß, wunderte ich mich, daß er nicht umblätterte. Ich habe immer schon schnell gelesen und das Lesen ist keine Anstrengung. Ich bemerke nicht, dass die Zeichen auf dem Papier „übersetzt“ werden. Ich tue mich deshalb schwer, wann mir Bild und Text zum ersten Mal bei den Großeltern in Berlin aufgefallen sind. Übrigens waren früher die Bäume grün, aber die Farbfotos aus der damaligen Zeit habe manche Farben im Laufe der Zeit eingebüßt, ob draußen stehend oder im Album unter Lichtabschluß.

Mein Großvater hat z.B. alle Bilder in Alben mit schwarzem Karton geklebt und mit weißer Tusche in Kurrentschrift Beschreibungen zu den Bildern gegeben. Das ist jetzt, 45 Jahre nach seinem Tod, sehr hilfreich. Und hier hatte er in schwarzen Druckbuchstaben auf weißem Karton geschrieben: „Das süsse Leben im Harz“. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders und ich war zum Zeitpunkt dieses Urlaubs acht Jahre alt. La dolce vita (Das süße Leben) von Federico Fellini mit Marcello Mastroianni, Anouk Aimée und Anita Ekberg kam im Jahr 1960 heraus. Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Großeltern diesen Film nie gesehen haben, aber die Medien haben damals darüber berichtet. Und so mag der Bildtitel auch eine Anspielung n den Film sein. Urlaub haben, Nichts tun, nur sich des Lebens erfreuen – und das war dann ein Bild, das man sich ins Wohnzimmer gestellt hat.


Sobald ich den richtigen Platz gefunden habe, werde ich es aufhängen.


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