Ich hatte mir vor einigen Tagen Bücher gekauft (da bekommt man jetzt ein Paket vor den Laden gestellt). Unter anderem das Buch Amanecer von Sophie Stein [1]. Ich wurde auf das Buch über eine Besprechung von Insa Wilke auf WDR3 aufmerksam, aber davon später mehr. Amanecer ist Spanisch und bedeutet Tagesanbruch. Da ich mich aktuell wieder mehr mit Spanisch/Castellano beschäftige, wurde ich sofort hellhörig.
„Geschichten formen sich in der Fäulnis der Wolken. … Scheinwerferzischen steigt von der regenzerfurchten Straße auf, und die Zimmerwände beginnen sich in stillem Rhythmus zu schälen.“ So beginnt der Roman und Autorin, da hat sie meine Aufmerksamkeit. Expressionistische Elemente haben mich schon an der Sprache Arno Schmidts fasziniert.
Traum, Erinnerung, Halluzination gehen ineinander über. Neben literarischen Anspielungen kann man auch deutlich die Matrix-Trilogie sehen. Ich sehe außerdem Carlos Castaneda [2], den Sophie Stein vielleicht gar nicht kennt, aber immerhin habe ich gelesen, dass über das Gehen ohne die Hände mit dem Halten von Gegenständen zu belasten bzw. zu verkrüppeln, wie Don Juan es forderte, Castaneda uns zum Tragen von Rucksäcken im Alltag gebracht hat.
Ich sehe Hinweise auf den Film Brazil von Terry Gilliam [3], in dem die Realitäts- und Irrealitätsebenen ebenso verschlungen sind. Das kafkaeske Element habe ich allerdings bei Amanecer nicht entdecken können.
Großen Raum nimmt auch die Frage ein, in welcher Realität sich die Protagonisten befinden und ob man überhaupt wieder in die ursprüngliche Realität zurückgelangen kann. Dazu fallen mir die Filme The Cell mit Jennifer Lopez als Catherine Deane [4] und Inception mit Leonardo DiCaprio [5] ein. Catherine Deane findet in The Cell nicht mehr alleine aus einem frenden Bewußtsein heraus, kann dann aber doch davon überzeugt werden, daß dies nicht die Realität ist. Im Film Inception werden Träume ineinander verschachtelt, und aus jeder Ebene muß man wieder zurück. Wer im Traum stirbt, kann aus dem Limbus nicht in die Realität zurück (einer der Protagonisten wird allerdings zurückgeholt).
In Amanecer bekommt Aziza ein Stipendium, um auf Nivaria zu studieren (alter Name von Teneriffa). Über ihre Mitbewohner wird sie in einen Geheimbund hineingezogen. Ins Wilke: „Er verbindet naturwissenschaftliche Interessen, spirituelle Sinnstiftung und philosophischen Drang, um den Weg zur Wahrheit ins Innere der irdischen Geheimnisse zu beschreiten.“
Die Mutter von Aziza „riss büschelweise Seiten aus ihnen [Büchern] heraus und schlug sie anschließend mit Nägeln an die Wände, offenbar in der Hoffnung, dadurch eine logischere Anordnung herstellen zu können." Das kenne ich ich ähnlich. Eine Kommilitonin schlug im Studentenheim Hunderte von Nägeln in den Teppich und hängte in rote Tinte getränkte Wattebäusche an die Türklinken der Mitbewohner. In der geschlossenen Abteilung wollte sie nachweisen, daß sie „normal“ wäre, in dem sie Tische und Stühle aufeinander stapelte, um von oben herab zuschauen. Das ging mir jedenfalls bei der Lektüre durch den Kopf.
„Der anschwellende Bach, wird mir jetzt bewußt, existiert auch außerhalb von mir.“ Dies erinnerte mich an einen luziden Traum, in dem ich feststellte, daß Traumwasser naß ist. Bei luziden Träumen wacht man ziemlich rasch auf, das Buch endet mit den Worten: „Wach auf. / Wach auf.“
Wenn sie jetzt eine wirkliche Buchbesprechung lesen wollen, dann können Sie aktuell noch die Buchbesprechung von Insa Wilke im Netz lesen [6], der ich herzlich für den Tipp danke.
Links und Literaturangaben:
[1] Sophie Stein: Amanecer. Diaphanes, Berlin 2020. 192 Seiten, 18 Euro.
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Carlos_Castaneda
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Brazil_(1985)
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/The_Cell
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Inception
[6] https://www1.wdr.de/kultur/buecher/stein-amanecer-100.html
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