Tuesday, January 5, 2021

Übervorsicht

Hier in der Gegend ist der Bach,
den ich nicht fotografiert habe



Ich hörte gerade eine alte MC (Musikcasette) ohne Musik, aber mit einem Sprachkurs Spanisch, den ich schon lange nicht mehr gehört hatte. Es wird da von einem Missgeschick des Protagonisten im Flugzeug berichtet. Herbert hatte Vino tinto (Rotwein) auf die weiße Bluse der hübschen Sitznachbarin geschüttet. Wer jetzt Loriot im Flugzeug assoziiert, liegt so falsch nicht! Mir ging allerdings etwas anderes durch den Kopf – Übervorsicht. Ich kann mich an drei ganz unterschiedliche Situationen erinnern, bei denen Übervorsicht zur Katastrophe führte.

Die Torte

Ich muss so etwa 12 Jahre alt gewesen sein. Die Familie war von Köln nach Berlin gefahren, um die Großeltern zu besuchen. Nachmittags gab es Kaffee und Kuchen für die Großfamilie. Ich balancierte eine Torte auf der rechten Hand, schwang sie hin und her und ging durch die Diele ins Wohnzimmer. „Um Gottes Willen! Die gute Torte!“ Schrie meine Mutter auf. Also nahm ich die zweite Torte vorsichtig mit beiden Händen und trug sie, weiterhin betont vorsichtig, ins Wohnzimmer. Da hatte sich aber der Türgriff in den Ärmel meines kurzärmeligen Hemdes hinein geschoben, so dass ich plötzlich in der Vorwärtsbewegung gestoppt wurde. Die Torte aber bewegte sich weiter vorwärts und flog in der Form einer Parabel zu Boden.

Über den Bach
Es war am Rande des Nationalparks Torres del Paine in Patagonien. Wir kamen einen Weg zurück, auf dem wir auf dem Hinweg problemlos über einen Bach steigen konnten, aber jetzt führte er so viel Wasser, dass man nur durch ihn waten konnte; was wir wegen der Kälte des Wassers vermeiden wollten. Und kurz darauf sahen wir einen Baumstamm, der über den Bach fefallen war und ihn überbrückte. Ich habe ihn ohne Schwierigkeiten überquert, in dem ich zügig darüber ging; denn so hält man am einfachsten das Gleichgewicht. Mein Freund half seiner Frau. Vor, zurück. Vor, noch ein Schritt, sie ergriff meine Hand und … ging wieder zurück und stürzte ... und zog mich mit in die Tiefe … ähm in den flachen Bach. Vielleicht hätten wir direkt waten sollen.

Die weiße Bluse
Eine meiner Patientinnen kam zu einem Infusionstermin. Sie sprach die Schicksal herausfordernden Worte: „An die Bluse darf nichts kommen, ich fliege nachher nach Dubai.“ Und ich antwortete ahnungslos: „Ich will besonders vorsichtig sein.“ Es war zu diesem Zeitpunkt eine schöne, blütenweiße Bluse. Ich legt die Kanüle für die Infusion problemlos und zog den Mandrin heraus. Da blieb ich irgendwie hängen, der Mandrin bog sich, kam frei und schon flogen kleine Blutströpfchen los; fast so schön wie die Starlink-Satelliten bewegten sie sich. Die Relativität der Zeit wurde mir bewußt, denn sie schienen sich leicht und langsam zu bewegen, aber nichts konnte sie von der Landung auf der weißen Bluse abhalten. Ich habe weder vorher noch nachher ein ähnliches Blutbad verursacht.

Wenn Sie nun wissen wollen, was uns das lernt, dann brauchen Sie nicht weiter lesen, wenn Sie hingegen wissen wollen, was uns das lehrt, vielleicht dies:
Die Übervorsicht ist ein ernst zu nehmender Risikofaktor für Katastrophen jeglicher Art.


PS/OT. In der Sprach-MC niest eine der Protagonistinnen und teilt dann mit, dass sie gute homöopathische Tropfen dagegen nehme. Ich dachte, ich hätte nicht richtig gehört. Hatte ich aber.


.

 

No comments:

Post a Comment