Friday, January 22, 2021

LYRIK-Taschenkalender 2018 Kalenderwoche 04 22.01.2021


Michael Braun und Paul-Henri Campbell haben den LYRIK-Taschenkalender 2018 herausgegeben. Dieser Kalender lädt ein zum Annotieren und Assoziieren, zum Erstellen von GegenEntwürfen. Vielleicht so auch ein wenig wie Daniel Spoerris: An Anecdoted Topography of Chance (1966 Something Else Press, New York / Cologne).


04. KW
Ilse Weber: Die Hungernden


Hier sieht man Bettler in den GroßStädten, aber Hungernde sind mir nicht aufgefallen. Vielleicht, weil man bei uns den Hunger nicht so sieht oder weil auch der Hunger nicht so lange andauert. Gibt es jetzt zwei Klassen von Hungernden? Nein.

Die Hungernden sind nicht nicht die Fastenden. Die Fastenden gehen frohen Schrittes, die Hungernden nicht.

Einmal sah ich in den 70iger Jahren Hungernde in Sri Lanka. Sunil gab ihnen Brot und sie aßen es in Dankbarkeit. Einigen bettelnden Kindern bot er ebenfalls Brot an, aber die lachten und lehnten ab, denn sie bettelten nur aus Spaß.

„Brich mit den Hungernden dein Brot“.

Hunger
    wählt
Der
Hunger
Nur
Den Leib
Und
Nicht
Auch
Die Seele
Bis
Sie
Ganz
    Stumpf
Wird?


04. KW
Kommentar: Alexandru Bulucz
 

Ich meine doch, den Wolf gehört zu haben. Die Hunde hier bellen und jaulen, aber sie heulen nicht wie der Wolf. Der einsame Wolf, der durch die Heide zieht.

„Und er begehrte seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen, und niemand gab sie ihm.“ Lk 15,16 Dem SchweineHalter könnte es wichtig sein, einem Menschen keinen SchweineFraß zu geben. Aber warum läßt er seinen Knecht hungern? Vielleicht ist Profit die treibende Kraft. Der verlorene Sohn ist tief gesunken, so tief, daß er seinen Hunger mit SchweineFraß stillen wollte, aber nicht so tief, daß er stehlen würde.

Siddharta bei Hesse, wie er das Fasten gelernt hatte, es aber später auch wieder verlernt.

Wo es keine Bettler gibt? In Nord-Korea. Es gibt auch keine Behinderten, keine Transsexuellen, keine Prostituierte, keine Langhaarigen, keine Christen, keine Buddhisten. Aber hinter der Fassade wurde gehungert – und in den Lagern.



 

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